Vom Kohlekessel zur Kreislaufstadt
Lünen hat in den letzten drei Jahrzehnten einen wirtschaftlichen und strukturellen Wandel vollzogen, wie ihn kaum eine andere Stadt dieser Größenordnung erlebt hat. Vom einstigen Zentrum der Kohle- und Stahlindustrie hat sich Lünen zu einem Knotenpunkt der Kreislaufwirtschaft entwickelt – mit europäischer Strahlkraft.
Beginnend in den frühen 1990ern, nach Schließung der letzten Zeche, setzte Lünen bewusst auf neue Zukunftsbranchen. Gezielte Förderung und eine vorausschauende Flächennutzung machten es möglich: Wo einst Kohle gefördert wurde oder andere Schwerindustrie angesiedelt war, entstehen heute Rohstoffe aus Abfall.

Das Lippewerk gestaltet den Wandel
Das Herzstück dieser Transformation ist das REMONDIS Lippewerk – früher Aluminiumwerk, heute Europas größtes industrielles Recyclingzentrum. Auf über 230 Hektar werden jährlich rund 1,4 Millionen Tonnen Abfälle in nutzbare Rohstoffe und Produkte umgewandelt. Die Einsparung von fast 470.000 Tonnen CO₂ pro Jahr zeigt, dass hier nicht nur wirtschaftlich, sondern auch klimapolitisch Maßstäbe gesetzt werden.
Ein starkes Netzwerk von Recyclingunternehmen
Neben REMONDIS prägen weitere Unternehmen den Standort: Aurubis betreibt die größte Kupferrecyclinghütte der Welt, Ardagh stellt jährlich 590 Millionen Glasbehälter mit hohem Altglasanteil her. Mittelständler wie Grass AF oder MAV Lünen zeigen, dass Kreislaufwirtschaft auch im Kleineren funktioniert – innovativ, wirtschaftlich und regional verankert.
Die Synergie aus Ökonomie und Ökologie ist greifbar: Tausende Arbeitsplätze, hohe Investitionen, neue Berufsbilder. Die Stadt profitiert von wachsender Wertschöpfung, steigender Steuerkraft und einem klaren Imagewandel – vom Kohle- zur Ressourcenstadt. Besonders prägend war auch die Umnutzung des Energiestandorts: Nach Stilllegung des STEAG-Kohlekraftwerks wurde ein Teil des Geländes in einen Second-Life-Batteriespeicher umgewandelt.
Auch das moderne Trianel-Steinkohlekraftwerk wird bald Geschichte sein. Die Schließung steht bevor – im Zuge des gesetzlich festgelegten Kohleausstiegs bis spätestens 2038, nach aktuellem Stand voraussichtlich schon deutlich früher. Damit endet ein weiteres Kapitel der fossilen Energieerzeugung in Lünen. Doch auch hier eröffnen sich neue Perspektiven: Die freiwerdende Fläche kann für klimafreundliche Technologien, Recyclinganlagen oder Energieprojekte im Kontext der Kreislaufwirtschaft genutzt werden. So wandelt sich der Standort erneut – von der Kohleverstromung hin zu einem Zentrum für nachhaltige Industrie.


Recyclingprojekte mit Zukunft
Innovative Recyclingprojekte runden das Bild ab: REMONDIS gewinnt Phosphor aus Klärschlamm zurück, kooperiert mit Knauf beim Gipskartonrecycling und digitalisiert die Abfallwirtschaft mit Smart Collection-Lösungen. Das Zusammenspiel von Wirtschaft, Technologie und Umwelt schafft ein Ökosystem, das nicht nur wirtschaftlich überzeugt, sondern auch ökologisch notwendig ist. Denn je mehr und je besser recycelt wird, desto mehr Sekundärrohstoffe stehen zur Verfügung – und genau das ist entscheidend. Denn jeder recycelte Rohstoff ersetzt einen Primärrohstoff. Das schont Ressourcen, reduziert Umweltbelastungen und stärkt die Unabhängigkeit von globalen Lieferketten. Recycling ist damit nicht nur Verwertung, sondern aktiver Beitrag zum Schutz natürlicher Grundlagen.
Lünen bleibt in Bewegung
Doch der Wandel ist nicht abgeschlossen. Neue Anforderungen wie die CO₂-Bepreisung oder EU-weite Recyclingziele erhöhen den Druck – und die Chancen. Lünen hat die Grundlagen, um sich weiter zu entwickeln: Erfahrung, Infrastruktur und Unternehmen, die bereit sind, in die Zukunft zu investieren.
Mit seinen Kompetenzen in Metall-, Glas-, Gips-, Kunststoff- und Biomasserecycling sowie Energienutzung aus Abfällen zeigt Lünen: Nachhaltige Transformation ist möglich – wenn man sie konsequent verfolgt.
Ein UFO als Symbol des Aufbruchs
Sein wohl sichtbarstes Wahrzeichen: das weiße LünTec-UFO auf dem alten Förderturm, auf 37 Metern Höhe über dem Gelände thronend – als hätte es Kurs auf die Zukunft genommen. Einst kam die Energie aus der Tiefe. Heute kommt sie aus Ideen.
Das LünTec vereint mehr als 50 Unternehmen aus u.a. Dienstleistung, Recycling, Umwelttechnik, IT und Maschinenbau. Start-ups, Mittelständler und Forschungsprojekte arbeiten hier Seite an Seite. Möglich wurde das durch vorausschauende Stadtplanung, Förderung des Landes NRW und den Willen, das Ruhrgebiet nicht als Altlast, sondern als Chance zu begreifen.
WFZruhr – Netzwerk der Kreislaufwirtschaft
Ein Akteur des Wandels: WFZruhr, das Wirtschaftsförderungszentrum Ruhr für Entsorgungs- und Verwertungstechnik. Vor 20 Jahren im LünTec gegründet, zählt das Netzwerk heute fast 130 Mitgliedsunternehmen – von der Abfalllogistik über Recycling bis hin zur Entwicklung neuer Technologien. Ins Leben gerufen und in den Anfangsjahren maßgeblich von der Wirtschaftsförderung betrieben, wurde das WFZruhr schnell zu einem Modell für praxisnahe Kooperation. Mit Veranstaltungen, Workshops und politischen Impulsen vernetzt es heute Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Kreislaufwirtschaft.

Aus der Brache wird ein Zukunftsort
Auch das Gelände selbst erzählt von Ressourcenschonung: Aus der Industriebrache wurde ein Ort für Innovation. Der Umbau der alten Zechengebäude zum Technologiezentrum war mehr als bauliche Sanierung – es war ein Sinnbild. Hier wird nicht nur recycelt, was in Tonnen gemessen werden kann. Hier wird aus Strukturwandel Zukunft gemacht.
Das UFO auf dem Schachtgerüst ist dabei mehr als nur architektonischer Hingucker – es ist ein ironisches Denkmal des Fortschritts. Aus der Kohle ins All: Wenn Transformation ein Gesicht hätte, dann wohl dieses elliptische Raumschiff.
Vom Revier zur Ideenfabrik
Das LünTec steht exemplarisch für den Weg, den das Ruhrgebiet geht: vom industriellen Rückgrat zur Denkfabrik der Kreislaufwirtschaft. Statt Kohle: Know-how. Statt Schichtbeginn: Start-up-Pitch.
Und wer genau hinhört, hört das UFO nachts vielleicht sogar sirren: „Bitte anschnallen, wir heben ab – Richtung Zukunft.“